Die Epoche der Moderne

Im späten 19. Jahrhundert begann die Epoche der Moderne, die bis heute andauert. Stilistisch sind der Dichtkunst keine Grenzen mehr gesetzt. Metaphern, Bilder, Symbole und weitere Stilmittel sind in modernen Gedichten reichlich vorhanden. Besonders ist auch, dass auf das Individuum eingegangen und die subjektive Wahrnehmung wiedergegeben wird.

Das erste Mal ist die Literatur keiner Zensur unterworfen und kann sich frei entfalten, denn sie ist noch nur sich verpflichtet. Daher verwundert es auch nicht, dass sich einige moderne Bewegungen bildeten:

Die Naturalisten beschäftigten sich ausschließlich mit Naturbeobachtungen, auch wenn das Gesehene hässlich und abstoßend sein sollte. Das Dargestellte sollte nichts anderes als die Wirklichkeit wiedergeben, dabei sollte auch das Schlechte in der Welt mit einbezogen werden. In der Lyrik wurde gegen die traditionellen Regeln für Verse, Strophe, Rhythmus und Reim rebelliert und die Dichter orientierten sich mehr an Prosalyrik.
Eine Besonderheit der Strömung war der Sekundenstil, der im Naturalismus entwickelt wurde. Dabei sollen die Erzählzeit und die erzählte Zeit auf die Sekunde genau übereinstimmen.
Der Dichter und Dramatiker Arno Holz veröffentlichte 1898 seinen Gedichtband Phantasus, der das Leben eines hungernden Dichters beschreibt. An diesem Werk arbeitete Holz sein ganzes Leben und es spiegelt auch das Milieu wieder, in dem Holz selbst in Berlin gelebt hatte. Holz experimentierte gerne mit der Form und befreite seine Gedichte von Reimen und Versmaß. Seine Gedichte waren zentriert formatiert, es gab einen steten Wechsel an langen und kurzen Zeilen und oft stand ein Wort auch alleine, um diesem Gewicht zu geben.

Auch die Expressionisten wandten sich von den traditionellen Formen der Lyrik ab und experimentierten mit Aufbau und Rhythmus. Kurze Sätze wurden weder nach Logik noch nach Inhalt aneinandergereiht, um ein Gefühl der Ratlosigkeit auszudrücken. Ebenso verwendeten manchen Autoren Neologismen, wie neue Wortkombinationen oder ganz neue Wörter genannt werden. Oft wurden auch einzelne Wörter in den Sätzen weglassen oder in einer Zeile stand nur ein Wort.

Die Dekadenzdichtung umfasst alle literarischen Strömungen und Werke, die sich gegen den Naturalismus wenden. Dabei beabsichtigt der Autor nicht, die Wirklichkeit widerzuspiegeln, sondern von dem Verfall der Welt und dem Schmerz des Lebens zu erzählen. Der Autor betrachtet seine Umgebung subjektiv und gibt diese auf überfeinerte Art und Weise wieder. Es wird sich bewusst nur dem Schönen zugewendet bzw. wird das Natürliche mit Absicht aus der Lyrik weggelassen. Oft findet auch inhaltlich ein Wechsel zwischen Lebensverdruss und -lust statt.

In seinem Gedichtzyklus Duineser Elegien beschäftigt sich Rainer Maria Rilke mit Widersprüchen der Existenzweise und den Existenzbedingungen des Menschen. Rilke begann mit der Sammlung 1912 und schaffte es, sie zehn Jahre später zu vollenden. Im Laufe des ganzen Werkes stehen sich immer wieder weitere Widersprüchen gegenüber, deren Probleme nie eine endgültige Lösung finden, sondern immer wieder von Autor aufgegriffen und thematisiert werden.