Lyrik im 21. Jahrhundert

 

"Nationalliteratur will jetzt nicht viel sagen; die Epoche der Weltliteratur ist an der Zeit."

Das Land der Dichter und Denker?
Obwohl dieses Zitat von Goethe bereits aus dem Jahr 1827 stammt, ist es nach wie vor aktuell. Im 21. Jahrhundert, einer Epoche der globalisierten Welt, in der Menschen beharrlich danach streben zu jeder Zeit auf die gesamte Bandbreite an materialistischen Gütern Zugriff zu haben, ist es schwierig Aufmerksamkeit zu erregen.
Dies gilt vor allem für die Lyrik, eine Gattung der Literatur, die in der heutigen Zeit oft in Vergessenheit gerät. Einige sprechen vom Untergang der Dichtkunst, andere sehen die Lyrik als eine Konstante, als etwas, das nie ganz aus der Welt des Geschriebenen verschwinden wird.

Im Deutschunterricht steht die Lyrik zwar immer noch auf dem Lehrplan, wird den Schülern allerdings wenig schmackhaft gemacht. Man präsentiert sie als etwas Abstraktes und Elitäres, als ein Genre der Literatur, das ein Nischendasein fristet und zahlreiche Schüler an ihre sprachwissenschaftlichen Grenzen bringt.

Die neueren Medien, wie das Fernsehen oder Internet, haben heutzutage, vor allem bei jüngeren Generationen, einen noch höheren Stellenwert als vor Jahrzehnten und sind aus dem täglichen Leben nicht mehr wedzudenken. Social-Media-Plattformen stehen bei vielen höher im Kurs als ein Buch.
Dadurch verändert sich der Markt für Literatur stetig und macht es für manche Gattungen schwerer, Fuß zu fassen.
Doch diese Medien stellen nicht ausschließlich eine Bedrohung für das Überleben der Lyrik da. Durch die globale Vernetzung des Internet wird es jungen Dichtern und Dichterinnen möglich, ihre Werke mit der ganzen Welt zu teilen, sei es auf Facebook, Twitter oder via eines eigenen Blogs. Die Möglichkeiten sind grenzenlos, die ganze Welt kann zum Leser der eigenen Gedichte werden.
Auch der Bereich des Self-Publishing gewinnt immer mehr Änhanger, da man mit diesem Service in der Lage ist, seine Werke selbstständig zu veröffentlichen ohne auf die Gunst eines Verlages angewiesen zu sein, der ohnehin tagtäglich mit Manuskripten hoffnungsvoller Autoren überschwemmt wird.

Der Poetry Slam, ein öffentlich stattfindender Poesie-Wettbewerb, ist eine Erfindung des späten 20. Jahrhunderts, die heute vor allem bei jungen Dichtern äußerst beliebt ist. Auf diese Weise können sie ihre selbst verfassten Werke einem Publikum präsentieren und sich dabei gleichzeitig mit anderen messen. Die deutsche Poetry-Slam-Szene ist nach den USA die zweitgrößte der Welt und veranstaltet seit 1997 jährlich sowohl regionale als auch landesweite Meisterschaften.
Zu den etablierten Vertretern gehören neben den deutschen „Gründervätern“ des Poetry Slam – beispielsweise Bas Böttcher oder Wehwalt Koslovsky – die Sieger der deutschsprachigen Meisterschaften wie Sebastian Krämer, Volker Strübing, Lasse Samström, Philipp Scharrenberg oder Marc-Uwe Kling.

Erlaubt ist, was gefällt
Auch wenn viele noch an Gedichte mit einem festen Versmas und Reimschema festhalten, sind die Regeln innerhalb des Rahmens, der als Lyrik anerkannt wird, längst nicht mehr so streng. Frei nach dem Motto: "Erlaubt ist, was gefällt" können die eigenen Werke verfasst werden. Dabei entwickeln sich immer neue Formen von Lyrik und poetischen Sprechweisen, in den letzten Jahrzehnten hat vor allem der Sprechgesang (Spoken Word, Hip Hop/Rap) innerhalb deutscher Jugendkulturen großen Zuspruch erhalten. Auch die Lyrik im engeren Sinn hat sich in den vergangenen Jahrzehnten tiefgreifend verändert und bezüglich ihrer Formen, Mittel und Gegenstände erweitert. Eine Wiederaufnahme metrischer und gereimter Dichtung zeigt sich deutlich im Neuen Formalismus, einer Strömung des späten 20. Jahrhunderts, die vor allem das Reimschema zu Zeiten von Goethe und Schiller wieder aufgreift und in einen modernen Kontext bringt.

Die Bandbreite an Themen, über die Gedichte verfasst werden ist vielfältig, sie reicht von klassischen Inhalten wie Liebe, Leben und Natur bis hin zu aktuellen Ereignissen innerhalb der Gesellschaft, Politik und dem menschlichen Miteinander, das sich seit der Blütezeit der Lyrik stark verändert hat.


Eine Auswahl an Dichtern des 21. Jahrhunderts

Steffen Popp
Der in Berlin lebende Schriftsteller ist zugleich einer der bekanntesten deutschen Lyriker des 21. Jahrhunderts und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. Gedichte von Steffen Popp erscheinen regelmäßig in der FAZ, sind in zahlreiche Sprachen übersetzt und in renommierten Anthologien vertreten. Seine Gedichtbände "Wie Alpen, Kolonie Zur Sonne" und "Dickicht mit Reden und Augen" erhielten große Resonanz in der Kritik.

Matthias Göritz
Der deutsche Lyriker und Übersetzer, der im Rahmen verschiedener Stipendien einige Zeit in den USA verbracht hat, ist nicht nur für seine Lyrik sondern auch für die von ihm geschriebenen Theaterstücke bekannt. Zusammen mit der Schriftstellerin Silke Scheuermann tritt er bei zahlreichen Lesungen auf und organisiert regelmäßig Workshops für junge Nachwuchsautoren.
Die veröffentlichten Gedichtbände "Loops", "Pools" und "Tools" finden vor allem bei jungen Lesern großen Anklang.

Martina Hefter
Die deutsche Schriftstellerin lebt und arbeitet als Schriftstellerin und Performance-Künstlerin in Leipzig. In ihren Gedichte verbindet Hefter sprachliche mit tänzerischen Elementen und kreiert somit eine innovative Art der Darbietung. Diese brachte ihr zwei Stipendien sowie den Lyrikpreis Meran ein.
Zu ihren lyrischen Sammelwerken gehören "Nach den Diskotheken", "Vom Gehen und Stehen" und "Ungeheuer".

Sabine Schiffner
Nach ihrem Studium begann Schiffner als freie Lektorin und Autorin zu arbeiten, heute ist sie vor allem für ihre Lyrik bekannt. Sammelwerke wie "Dschinn" und "Frühling lässt sein blaues Band" sind vor allem bei jungen Nachwuchs-Autoren sehr beliebt.
Für ihre Arbeit hat Schiffer bereits mehrere Preise und zahlreiche Stipendien, darunter auch das Bremer Literatur-Stipendium, erhalten.