Nordische Lyrik

Finnland
Eines der wichtigsten literarischen Werke Finnlands ist das Nationalepos Kalevala, das der Schriftsteller Elias Lönnrot (1802-1884) zusammengestellt hat. Es basiert auf der mündlich überlieferten finnischen Mythologie und prägte sehr stark das Nationalbewusstsein der finnischen Bevölkerung, das zu dieser Zeit erst im Erwachen war.
Als Nationaldichter Finnlands gilt Johan Ludvig Runeberg (1804-1877), dessen berühmtestes Werk seine Gedichtsammlung Fänrik Ståls sägner (deutsch: Die Erzählungen des Fähnrich Ståls) ist. Die 35 Gedichte erzählen insbesondere Heldentaten aus dem Russisch-Schwedischen Krieg und das erste Gedicht, Vårt land (deutsch: „Unser Land“) wurde zur Nationalhymne Finnlands.

Dänemark
Berühmt für seine Psalmendichtung war der lutherische Bischof Thomas Kingo (1634-1703), der aber auch Liebes- und Vaterlandsgedichte schrieb. Im Auftrag des Königs gab Kingo ein Gesangbuch heraus, das viele seiner eigenen Werke beinhaltete und als einer der Höhepunkte der barocken Lyrik Dänemarks gilt.
1803 publizierte der Dichter Adam Oehlenschläger (1779-1850) das Buch Digte (deutsch: „Gedichte“), das viele literarische Formen enthält und zum Beginn der dänischen Romantik beitrug. Sein Werk Poetiske Skrifter (deutsch: „Poetische Schriften“) umfasste 900 Seiten und ist eine der größten Leistungen der dänischen Romantik. Der Text von Dänemarks Nationalhymne besteht aus den Strophen von Oehlenschlägers Gedicht Vaterlandslied.
Hans Christian Andersen (1805-1875) wurde durch seine zahlreichen Märchen weltweit berühmt. Bereits mit 14 Jahren begann er erste kurze Gedichte zu schreiben und einige seiner Gedichte, wie Das sterbende Kind, wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

Schweden
Die Werke des schwedischen Dichters Lars Wivallius (1605-1669) gehören zu den ältesten Gedichten, die in Schweden heute noch gelesen werden. Er schrieb gerne über seine eigene Lebenssituation, wodurch seine Gedichte sehr persönlich und vor allem individuell waren. Ungewöhnlich für die damalige Zeit war die detailreiche Betrachtung der Natur, die Wivallius in seiner Naturlyrik beschrieb.
Den sörgande Turtur-Dufwan (deutsch: „Die trauernde Turteltaube“) war der erste große Erfolg von Hedvig Charlotta Nordenflycht (1718-1763). In ihren Gedichten rief die Dichterin gegen die Unterdrückung der Frau auf und forderte Bildung und Selbstständigkeit für Frauen.
Mit 23 Jahren veröffentlichte Tomas Tranströmer (1931-2015) seinen ersten Gedichtband 17 dikter (deutsch: „17 Gedichte“). Seine Gedichte drücken mit wenigen Worten eine Menge Bilder aus, die meistens den Moment und den Augenblick beschreiben. 2011 erhielt Tranströmer den Literatur-Nobelpreis und seine Gedichte wurden in mehr als 50 Sprachen übersetzt.

Norwegen
Henrik Ibsen (1828-1906) schrieb seine ersten Gedichte aus Liebe zu einem Mädchen namens Clara, die leider keine Erfüllung fand. Ibsen war nicht nur Lyriker, sondern verfasste auch Theaterstücke. Sein sehr erfolgreiches Gedicht Peer Gynt schrieb er so um, dass es auf der Bühne aufgeführt werden konnte.
Ibsen war mit dem Dichter Bjørnstjerne Bjørnson (1832-1910) befreundet, der als erster Skandinavier den Literatur-Nobelpreis verliehen bekam. Aus seinen vielen patriotischen Werken wurde sein Gedicht Ja, vi elsker dette landet (deutsch: „Ja, wir lieben dieses Land“) ausgewählt und zur Nationalhymne Norwegens ernannt.

Island
Auch der Text der Nationalhymne Islands stammt aus der Feder eines Dichters: Matthías Jochumsson (1835-1920) schrieb das Gedicht Lofsöngur (deutsch: „Loblied“), das so beliebt war, dass man es vertonte und zur Hymne machte.
Der Dichter und Romanautor Gunnar Gunnarsson (1889-1975) wurde in seinem Leben insgesamt acht Mal für den Literatur-Nobelpreis nominiert, hat ihn aber leider nie gewonnen. Seine Werke zeigten die Liebe des Autors zu seinem Heimatland und dessen Kultur, und sein Roman wurde Ormarr Ørlygsson (in Deutschland bekannt unter dem Titel „Die Leute auf Borg“) als erstes isländisches Buch verfilmt.