2. PREIS - IV. Gedichtwettbewerb 2001

Porträt Genua

Was kam ich suchen hier, bei Herrn Kolumbus und Frau Kolombine?
Dort unten, in dem fahlen Ungefähr,
ziehn weder stolze Schiffe noch Komödianten eine lustge Miene -
vom Hafen, der umschwirrten Wunde, ziehn Fäulnis,
Autoschwärme – und ein Montale-Vers zu diesen Hügeln her.
Längst tot, liegt dort, die man die »Stolze« einst genannt,
posierend mit dem Ruhm und dem von Dreck zerfressenen Gesicht;
das Meer wie einen Spiegel hält noch immer ihre Hand
(o Spiegel, eingefasst von einer halben Unermesslichkeit!),
zerschlägt ihn, angewidert bald, zu ein paar Scherben Licht.
Sieh nur, sie schminkt sich (es wird Nacht) die Menschenakne fort:
Die Wogen tragen ihr herbei ein falsches Strähnengold -
was kam ich suchen hier, an diesem Un-, an diesem Sterbensort?
Die Gischt zieht grell die bleichen Uferbrauen nach,
und aus den Riffen ihr ein blödes Kichern rollt.
Fahr hin zum Himmel, deinem finsteren Palazzo
(noch deine leersten Straßen grinsen geil,
der Mond ist nichts als ein verfetteter Bajazzo)
oder knie nieder vor der Brezelfrau in Staglieno -
sie hält dir ein paar bittre Mandeln feil.


Volker Zorr