Barbara Köhler

42 Ansichten zu Warten auf den Fluss. Edition Korrespondenzen, Wien 2017, 96 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-902951-28-1 

Klappentext:

Im Sommer 2016 zog Barbara Köhler für zwei Monate nach Castrop-Rauxel, als eine Art Schmuckeremit: in die bewohnbare Skulptur "Warten auf den Fluss" der Rotterdamer Künstlergruppe "Observatorium", um dort auf die seit Jahren nicht mehr vorbeifließende Emscher zu warten. Aus ihrem Warten, Beobachten und Betrachten sind 43 Neunzeiler entstanden, ein Buch, das von Deindustrialisierung und 'Renaturierung' spricht, von der örtlichen Brache und einem toten Fluss, dessen Geschichte und Geschichten, von Realitäten und Utopien, von Landschaften und Technik, einer von Menschen immer wieder neu gemodelten Geografie. Gespräche mit anderen Besuchern und den Machern der Skulptur hinterließen fremdsprachige Spuren im Text, lassen ihn zu einer Bewegung zwischen Sprachen geraten, zwischen falschen Freunden und richtig hilfreichen Missverständnissen, zwischen kruder Beschreibung und poetischer Reflexion werden Grenzen fließend, dass Unerwartetes eintreten kann.

Empfehlung der Lyrikerin und Romanautorin Marion Proschmann:

Das Raster dieser streng gebauten Neunzeiler verzeichnet die hybride Landschaft des Ruhrgebiets mit ihren Kanälen und Industriebrachen, den vagen Möglichkeitsflächen und hypothetischen Wasserläufen, unterirdischen Flüssen, zukünftigen Flüssen. Es fängt ein, was sich nicht festhalten lässt: Zeit, die vergeht, Erwartung, die erst noch erfüllt werden will. Hier wird auf einen Fluss gewartet, die vielfach umgebaute Emscher, die endlich naturnah saniert werden soll. Das Warten schafft Räume: Wie strömende Flüssigkeiten bilden die Sprachbewegungen Inseln, Betrachtungsplattformen für den Lauf des Wassers, der Dinge, der Welt.

Das Großartige an diesen Gedichten ist, dass sie zeigen, was Sprache vermag: langerwartete Flüsse beschwören, Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft erzeugen, einen Ort so beschreiben, dass an ihm das Entscheidende eines jeden Ortes deutlich wird: dass er da ist und gleichzeitig nicht da, dass sich Anwesenheit und Abwesenheit immer vermischen.

Über die Autorin:


(Foto: tineke de lange)

Barbara Köhler, geboren 1959 in Burgstädt, lebt in Duisburg. Sie veröffentlichte mehrere Gedichtbände, Essays, Übersetzungen von Gertrude Stein, Samuel Beckett u. a. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Clemens-­Brentano-Preis und den Peter-Huchel-Preis.

Zuletzt erschienen: Neufundland. Schriften, teils bestimmt (2012), 36 Ansichten des Berges Gorwetsch (2013) und Istanbul, zusehends (2015).