Die Metapher – Krone lyrischer Schöpfung

Ein Beitrag aus der Lehrgangsmappe VIII des staatlich zugelassenen Fernstudiums "Das Lyrische Schreiben" der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte.

Die Metapher ist das wirkungsvollste bildhafte Stilmittel. Mit ihm, und dabei soll Ihnen das nachfolgende Kapitel Anregungen und Hilfestellungen geben, erreichen Sie einen poetischen Ausdruck. Sie erfahren nachfolgend, was eine Metapher ist, wie sie entsteht und wie Sie zur Metapher gelangen können. Erst die Metapher verleiht Ihrem Text lyrische Qualität.
Kein anderes bildhaftes Stilmittel hat die Dichter und auch die Denker so beschäftigt wie die Metapher. Das aus dem Griechischen kommende Wort »ephiphora« wurde von Aristoteles, wie eingangs bereits angemerkt, in die Diskussion eingeführt. Die Übersetzung des Wortes ist »Übertragung« und bereits an diesem Wort zeigt sich, wie problematisch der Umgang mit der Metapher ist, denn das Wort Metapher, also »Übertragung«, ist selbst eine Metapher. Die moderne Sprachwissenschaft kennt heute zwei herausragende Theorien zu diesem Thema, die zum besseren Verständnis unbedingt in ihren Ansätzen erklärt werden sollen.

Die erste Theorie ist ca. 2300 Jahre alt und stammt von Aristoteles. Sie besagt, dass das »eigentliche« Wort durch ein »fremdes« ersetzt wird. Zwischen dem »eigentlichen« und dem »fremden« Wort besteht eine Ähnlichkeit oder sogar eine Analogie. Dieser Theorie zufolge ist die Metapher eigentlich nur ein Vergleich, bei dem die Partikel »wie« weggelassen wurde, ein so genannter »verkürzter Vergleich«. Diese Theorie trägt die Bezeichnung Substitutionslehre. Substitution bedeutet Ersetzung.
Auf einen grundlegenden Irrtum im Denken Aristoteles soll unbedingt noch verwiesen werden. Der alte Grieche vertrat nämlich die Auffassung, dass die Metapher ausschließlich in der Dichtung zur Anwendung kommt, nicht aber in der Alltagssprache. Ausgehend von dieser Anschauung war es Aristoteles nur möglich, überhaupt von »eigentlicher« und »fremder« Bedeutung des Wortes zu sprechen.

Die andere Theorie wird von der Wissenschaft als Interaktionstheorie bezeichnet. In dieser Theorie wird die Auffassung vertreten, dass es für den metaphorischen Begriff keinen »eigentlichen« Ausdruck gibt. Das bedeutet, wollte man einen metaphorischen Begriff auswechseln, könnte dies nur um den Preis des Verlustes von Bedeutung geschehen. Der gewählte metaphorische Begriff ist der einzig mögliche, um die beabsichtigte Bedeutung zu transportieren! Die Theorie trägt diesen Namen, da der Leser zu einem permanenten Interpretationsprozess gezwungen ist – daher Interaktion. Ein und dasselbe Wort muss in jedem neuen Kontext auch neu ergründet werden. Kritische Stimmen bezeichneten die Metapher sogar als überflüssig. Man hielt die Metapher für keine authentische Bezeichnung, für deplaziert, unernst und, weil nicht mehr eindeutig, für ungenau und zweideutig. Ein repräsentativer Vertreter dieser Kritik war Hegel. Er meinte:

»Die Metapher aber ist immer eine Unterbrechung des Vorstellungsganges und eine stete Zerstreuung, da sie Bilder erweckt und zueinanderstellt, welche nicht unmittelbar zur Sache und Bedeutung gehören und daher ebenso sehr auch von derselben fort zu Verwandtem und Fremdartigem herüberziehen.«

Für Hegel war die Verwendung der Metapher ein Akt des Hochmutes, getrieben von dem Bedürfnis, sich nicht mit dem »Einfachen, Gewohnten und Schlichten« zu begnügen. Franz Kafka lehnte die Metapher sogar gänzlich ab. Er machte dieses bildhafte Stilmittel dafür verantwortlich, dass sein Schreiben »hilflos« sei und »nicht in sich selbst wohne«. Die Tatsache, dass er die Metaphern nicht vermeiden konnte, trieb ihn in die Verzweifelung. Und so ganz unbegründet sind die Einwände nicht. Erinnern wir uns noch einmal an das Gedicht »Todesfuge« von Paul Celan.

Todesfuge

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng (…)

Zurück übersetzt erzählen die Zeilen vom Holocaust. Menschen werden vergast. Sie atmen das Gas, als würden sie »schwarze Milch« »trinken«. Und nachdem sie dies getan haben, schaufeln sie sich »ein Grab in den Lüften«, was bedeutet, dass die Leichname nicht beigesetzt werden, sondern verbrannt. »Da liegt man nicht eng« hat einen durchaus positiven Unterton, könnte als Befreiung verstanden werden, als ein lichte, weite Zukunft im Jenseits. So gewaltig die Zeilen sind, losgelöst vom Kontext der Geschichte wirken sie geradezu verharmlosend. Wir müssen erkennen, dass die Metapher nicht unproblematisch ist. Dennoch, unter Berücksichtigung des Risikos, das der Dichter bei seiner Verwendung eingeht, bleibt festzuhalten, dass die Metapher die höchste Form eines lyrischen Bildes ist. Nachdem nun die vermeintlichen Nachteile der Metapher benannt wurden, sollen ihre Vorzüge erläutert werden. Um uns dem Problem Metapher verbindlich zu nähern, bedarf es einiger Klarheit über dieselbe. Zuerst muss darum festgestellt werden, dass es keine »eigentliche« oder wie der Volksmund sagt »wörtliche« Bedeutung gibt. Es gibt nur eine spezifische Bedeutung, nämlich die Bedeutung, die das Wort im Kontext annimmt. Folglich gibt es also auch keine sprachliche Bedeutung an sich. Wenn wir uns die Bedeutung eines Wortes klar machen wollen, müssen wir uns seine Verwendung verständlich machen.

Lehrsatz: Die Metapher kann, vom realen Bezug getrennt, am poetischen Ziel vorbeiwirken.

Metaphern sind überdies nur im Kontext von Erscheinung und Text zu entschlüsseln. Ein Beispiel ist der Satz: »Peter ist ein Kind.« Wir würden diesen Satz als »wörtlich gemeint« verstehen, wenn Peter sechs Jahre alt wäre. Wenn er aber 30 Jahre alt wäre, ist das Wort »Kind« eine Metapher. Was können wir daraus schließen? Lediglich, dass es unmöglich ist allgemeine, notwendige Regeln für die Identifikation von Metaphern zu erstellen. Um diese Aussage noch zu unterstreichen, hier zwei weitere Sätze für Sie, an denen Sie die Aussage prüfen können:

»Franz ist ein großer Schauspieler.«
»Der kleine Klaus stammelte: ›Gehen die Blumen jetzt schlafen?‹«

Um abschließend die Metapher im Sprachgebrauch zu definieren, hier ein Zitat von Gerhard Kurz: »Die Metapher ist keine Abweichung vom normalen Sprachgebrauch, sie ist normaler Sprachgebrauch. Genauer: Sie ist eine Abweichung vom normalen Sprachgebrauch im normalen Sprachgebrauch. (…) Eine Metapher kennt man nicht, wie man die Regel des Gebrauchs eines Wortes in der Sprachgemeinschaft kennt. Eine Metapher kann man nur verstehen.«

Metaphern, ob man sie als Dichter nun mag oder nicht, sind im Sprachgebrauch notwendig. Es gibt Entwicklungen, die der Sprachgestaltung voraneilen können und schnelle Entscheidungen notwendig machen, um eingetretene Tatsachen begrifflich auszustatten. Als beispielsweise um 1900 das Auto erfunden und gebaut wurde, gab es plötzlich Bauteile, die keine Ähnlichkeiten mit existierenden technischen Einrichtungen besaßen. Was lag also näher als Metaphern zu suchen, die den Gegenstand hinreichend kenntlich machten. So ein Begriff ist das Kompositum »Motorhaube«. Bei dem Wort »Motorhaube« handelt es sich wie bei den Wörtern »Wolkenkratzer« oder »Tischbein« um Kompositionsmetaphern.
Achten Sie, nachdem Sie diesen Text gelesen haben, einmal darauf, ob Sie weitere Beispiele für Metaphern finden, die unter ähnlichen Bedingungen entstanden sind.
In diesem Zusammenhang muss natürlich auch erwähnt werden, dass Metaphern einem Verschleiß unterliegen. Ähnlich wie beim Gleichnis können auch Metaphern »abgedroschen« werden. Wir nennen solche Metaphern Klischees. Ein solches Klischee ist z. B. der Satz: Die Sonne lacht. Niemand würde auf die Idee kommen, diesem Klischee einen besonderen lyrischen Wert beizumessen.

Doch als die Sonne färbt’ der Föhren Spalten, (...)

Annette von Droste-Hülshoff

Diese Zeile von Annette von Droste-Hülshoff ist eine »lebendige«, weil innovative, also neue und überraschende Metapher. In der Poesie werden wir eher selten auf die Fälle treffen, wo Metaphern lexikalisiert, also zum Klischee verkommen sind. In der Alltagssprache haben wir eine permanente Tendenz in die Richtung. Schauen wir uns nur Kompositionsmetaphern an, die unter Verwendung des Wortes Landschaft entstanden sind: Parteienlandschaft, Kulturlandschaft, Medienlandschaft …

Übungsaufgabe 1: Suchen Sie in der Alltagssprache nach weiteren Kompositionsmetaphern. Sinn der Übung ist, Sie für derartige Erscheinungen zu sensibilisieren und Ihnen zu einem bewussteren Umgang mit der Sprache zu verhelfen.

Kommen wir nun zu der Frage, warum die Metapher für den Dichter von so überragender Bedeutung ist? Der erste Grund ist vielleicht ein ganz profaner, weil er so nahe liegend ist. Die Metapher macht einen Text lebendiger. Sie bedeutet den Ausbruch aus den lexikalischen Zwängen der Informationssprachen. Wenn wir einem Menschen begegnen, der mit seiner Sprache zu fesseln weiß, dann spielt ganz sicher die Verwendung von Metaphern in der Rede eine Rolle. Die Metapher macht Sprache »aufregender«.

Das ist die Zeit
Das ist die Zeit, in der der Behemoth
Die Nase hebt aus den gesalzenen Fluten
Die Menschen springen von den brennenden Schuten
In grünen Schlamm, den Feuer überloht.
Die Seelen sind verkauft in Trödelbuden
Um weniges Entgelt und ohne Not
Die Herzen ausgelaugt, die Geister tot.
Gesträubte Engel gehen um mit Ruten.
Sie dringen würgend in die Häuser ein,
Und ihrem Grimme widersteht kein Riegel,
Sie schwirren ums Gesims der Sakristein
Und reißen mit sich Lattenwerk und Ziegel,
Ihr Atem dampft. Ein schwarzer Sonnenschein
Hängt wie Salpeter überm Höllentiegel.
Hugo Ball (1886–1927)

Das Gedicht von Hugo Ball ist eine einzige Ansammlung von Metaphern, mit denen er die Zeit der ausgehenden 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts charakterisiert. Die Zeit war eine sehr rauschhafte und von »Sittenverfall« geprägte. Wenn Sie das Gedicht aufmerksam lesen, werden Sie feststellen, dass alle Bilder, die Ball über Metaphern beschreibt, tosende, rasende, erschreckende – schlicht überh.hte Bilder sind. Das Gedicht ist schrill dramatisch. Der zweite Grund für die Wirkung von Metaphern liegt darin begründet, dass deren Benutzung nicht selten für Erstaunen sorgt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und neigt dazu, in festgelegten Bahnen zu leben, denken und folglich auch zu sprechen. Eine Metapher wird schnell als Abweichung von der normalen Sprache empfunden, schafft so ein Spannungsfeld zwischen dem Schreiber und dem Leser.

Bei Büsum
Bei Büsum wo ein Fisch
im Maul der Katze schlief
Ich eignete dir
den Mond zu Der Kellner
gab uns Falschgeld heraus
Wir gingen durchs Watt
(Deine Augen lagen
am Boden bei den übrigen
Muschelschalen)
Hans-Jürgen Heise (*1930)

Im Gedicht von Heise findet sich eine Metapher, die auf den ersten Blick recht absurd erscheint. Wie kann ein Fisch im Maul einer Katze schlafen? Natürlich kann er das nicht, denn er wird verspeist. Dennoch hat das Bild eine starke Überzeugungskraft, da es so etwas wie das Anhalten der Zeit suggeriert. Wir kennen die Geschichte von Dornröschen, in der der ganze Hofstaat in einen hundertjährigen Schlaf fällt, nachdem Dornröschen sich an der Spindel gestochen hat. Ein Fisch, der gerade von einer Katze geschnappt worden wäre, würde ebenso im Maul der Katze einen hundertjährigen Schlaf schlafen, um nach dem Erwachen verspeist zu werden. Das Bild ist also gar nicht so neu und es ist auch gar nicht so absurd, wenn man sich auf die Stimmung einer Nordseelandschaft einlässt. Diese Landschaft erweckt den Eindruck, alles geschehe etwas behäbiger, mit mehr Bedacht. Dies ahnend, erstaunt die Metapher, denn sie artikuliert überdeutlich, was wir bisher schon empfunden haben, nämlich das Besondere am norddeutsche Temperament.

Es bleibt schließlich noch zu klären, was eine Metapher inhaltlich ausmacht. Und damit kämen wir zum dritten Grund für die überragende Bedeutung dieses Stilmittels. In der Metapher verschmilzt ein reales Bild, das zu beschreiben der Dichter sich anschickt, mit dem unrealen Bild, welches er schließlich benutzt, um das reale Bild glaubhaft und überh.ht in seiner Wesenhaftigkeit darzustellen, zur dichterischen Vision. Wir haben also zwei Komponenten, aus denen sich das Bild zusammensetzt: Die Realität und der Traum – ein Bild aus dem Unterbewusstsein. Wie diese Bilder verschmelzen können, soll nachfolgende Bildergeschichte erzählen. Bitte betrachten Sie die Bilderfolge auf der übern.chsten Seite, mit der Sigmund Freud versuchte, Entstehung und innere Zusammenhänge von Träumen darzustellen.

Sie sehen, wie sich ein banaler Vorgang des Wasserlassens zu einer Schiffsreise auswächst. Der Auslöser der Geschichte tritt immer weiter in den Hintergrund zurück und die Vision wird zunehmend raumgreifender. Eine Vision steigt auf und formiert sich. Am Ende der Geschichte zeigt sich wieder der Zusammenhang und die Realität kehrt zurück. Realität und Traum waren verschmolzen und haben eine Vision geboren.

Übungsaufgabe 2:

Finden Sie zu nachfolgendem Thema metaphorische Ausdrücke und Wendungen.

»Die Liebe ist Krieg«

Suchen Sie sich selbst Themen und erforschen Sie die Metaphern, die in ihnen zur Anwendung kommen. Üben Sie die häufig und schaffen Sie selbst Metaphern zu Ihren Themen.