Laura am Klavier

Laura am Klavier
 
 
Wenn dein Finger durch die Saiten meistert -

Laura, itzt zur Statue entgeistert,

Itzt entkörpert steh' ich da.

Du gebietest über Tod und Leben,

Mächtig, wie von tausend Nervgeweben

Seelen fordert Philadelphia.


Ehrerbietig leiser rauschen

Dann die Lüfte, dir zu lauschen;

Hingeschmiedet zum Gesang

Stehn im ew'gen Wirbelgang,

Einzuziehn die Wonnefülle,

Lauschende Naturen stille.

Zauberin! mit Tönen, wie

Mich mit Blicken, zwingst du sie.


Seelenvolle Harmonien wimmeln,

Ein wollüstig Ungestüm,

Aus den Saiten, wie aus ihren Himmeln

Neugeborne Seraphim;

Wie, des Chaos Riesenarm entronnen,

Aufgejagt vom Schöpfungssturm, die Sonnen

Funkelnd fuhren aus der Nacht,

Strömt der Töne Zaubermacht.


Lieblich itzt, wie über glatten Kieseln

Silberhelle Fluten rieseln,

Majestätisch prächtig nun

Wie des Donners Orgelton,

Stürmend von hinnen izt, wie sich von Felsen

Rauschende schäumende Gießbäche wälzen,

Holdes Gesäusel bald,
Schmeichlerisch linde,

Wie durch den Espenwald
Buhlende Winde -


Schwerer nun und melancholisch düster,

Wie durch toter Wüsten Schauernachtgeflüster,

Wo verlornes Heulen schweift,

Tränenwellen der Cocytus schleift.

Mädchen, sprich! Ich frage, gib mir Kunde:

Stehst mit höhern Geistern du im Bunde?

Ist's die Sprache, lüg mir nicht,

Die man in Elysen spricht?
Friedrich Schiller