DIE GESCHICHTE DER LIEBESLYRIK

Die Liebeslyrik ist eine spezielle Form der Lyrik, in der die Liebe zwischen zwei Menschen das Thema ist. Diese Gedichtform hat ihren Ursprung vor langer Zeit gehabt. Hier ist ein kurzer Überblick über die Geschichte der Liebeslyrik:

Die Bibel: Das Hohelied
Das Hohelied ist eine Sammlung an zärtlichen und teilweise erotischen Liebesliedern. Darin singen Mann und Frau abwechselnd über ihre Liebe zu einander und ihr Verlangen nach dem Partner. In sehnsuchtsvollen und schwärmerischen Äußerungen himmeln sie die geliebte Person an, verehren deren Schönheit und sehnen sich nach ihr. Es geht viel weniger um eine fortschreitende Handlung, sondern es handelt sich dabei viel mehr um Beschreibungen zweier Liebenden, die sich suchen und finden, sich nach einander sehnen und gegenseitig verehren.

Die Antike: Ovid
Der römische Dichter Ovid verfasste zahlreiche Werke, darunter auch einige, die sich mit dem Thema Liebe sehr gründlich auseinandersetzten.
Amores: Diese Sammlung von 49 Gedichten beschreibt eine wechselhafte Liebesbeziehung des Ich-Erzählers Naso zu dem Mädchen Corinna. Ovid beschreibt in diesem freizügigen und erotischen Werk, wie man die Zeichen des anderen Geschlechts zu verstehen hat und wie man einen Partner bekommt.
Ars amatoria ("Liebeskunst"): Das Lehrgedicht ist in drei Bücher unterteilt und behandelt, wie Mann ein Mädchen kennenlernt, seine Liebe gewinnt und sie sich erhalten kann. Das dritte Buch beinhaltet die gleichen Themen analog für Frauen.
Remedia amoris ("Heilmittel gegen die Liebe"): Dieses Werk schließt an "Ars amatoria" an und erklärt, wie man eine Liebe beenden kann. Sollte eine Liebe eher schaden als glücklich machen, hilft das Werk, dieser Beziehung ein Ende zu setzen und sich von der alten Liebe zu befreien. Danach kann man ja mit "Ars amatoria" wieder eine neue finden.

12./13. Jahrhundert: MinnesangMinnesang wird die gesungene Liebeslyrik genannt, die zur Verehrung einer meist hochgestellten, adeligen Frau diente. Diese Liebesgedichte zeigen eine natürliche und ungekünstelte Liebe zu einer Frau, die aber als unerreichbar gilt. Hauptsächlich geht es um das Leid, das die Frau dem Verehrer bei einer Zurückweisung zufügt.
Minne- oder Werbelied: In einem Minnelied umwirbt der Mann seine angebetete Dame oder berichtet in einem Monolog um sein Werben. Diese Form des Minnesangs wurde am häufigsten verwendet.
Frauenlied: Hier wird aus der Sicht der Frau die Verehrung und das Umwerben beschrieben. Die Frau bedankt sich dafür und fühlt sich auch geschmeichelt, allerdings muss sie den Verehrer zurückweisen.
Wechsellied: Im Wechsellied spricht nicht nur der Mann oder nur die Frau, sondern beide. Allerdings reden sie nicht miteinander, also entsteht kein Dialog. Vielmehr sprechen die beiden nebeneinander, sodass man beide Seiten des Umwerbens erfährt.
Tagelied: Diese Form des Minnesangs beinhaltet den Abschied zweier sich liebender Personen bei Tagesanbruch. Das Liebespaar hat die Nacht zusammen verbracht und muss nun leider der unvermeidlichen Trennung entgegen sehen.

1620-1680: Barock
Die Liebeslyrik zur Zeit des Barocks war von den beiden Motiven "carpe diem" und "vanitas mundi" geprägt. Während "carpe diem" auffordert, den Tag bewusst zu erleben und ihn auch zu nutzen, beschäftigt sich "vanitas mundi" mit der Vergänglichkeit des Seins und der Nichtigkeit des Lebens. Oft wird die Liebe als unerfüllt, oberflächlich und vergänglich beschrieben. Ein schönes Beispiel ist das Liebesgedicht "Vergänglichkeit der Schönheit" von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Darin beschreibt der Dichter die körperlichen Vorzüge einer Frau auf gegensätzliche Weise: auf der einen Seite so schön wie ihr goldenes Haar, ihre süß-blitzenden Augen und ihr attraktiver Körper jetzt sind und auf der anderen Seite was die Zeit und der Tod mit diesen äußerlichen Schönheiten anstellen und sie nichtig werden lassen.

1795-1848: Romantik
Auch in der Epoche der Romantik hatte die Liebeslyrik einen Höhepunkt. In diesem Zeitalter waren die Liebesgedichte sehr gefühlsbetont, sprachlich überaus kunstvoll gestaltet und besaßen einen volksliedhaften Ton. Die Dichter der Romantik hatten eine Vorliebe für das Spirituelle und das Traumhafte. Man wollte die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Traum niederreißen und die Liebe wurde oft zu einem Sehnsuchtsgefühl.
In den Liebesgedichten erschien die Frau in vielerlei Gestalten: Sie konnte ein unschuldiges reines Mädchen sein, aber auch etwas Übernatürliches wie eine Sirene, Medusa oder Venus. In Heinrich Heines Gedicht "Lore-Ley" behandelt der Dichter die Sage der Loreley, einer Nixe, die auf dem gleichnamigen Felsen am Rheinufer sitzt. Während sie sich ihre langen goldenen Haare kämmt, lockt sie mit ihrem Gesang Schiffer an. Diese achten ganz betört von der Nixe nicht mehr auf ihren Weg, sodass ihre Schiffe an den Felsen zerschellen.

Heute: Moderne Lyrik
In der heutigen Liebeslyrik wird die Liebe mit allen ihren Facetten behandelt und wiedergegeben. Die Dichter legen sich nicht mehr auf einen bestimmten Teil dieses Themas fest, viel mehr werden Liebe und Beziehungen im Angesicht des Alltags reflektiert: pure Fleischeslust, Entfremdung der Partner, glückliche Liebe und vieles mehr. Die Sprache ist bei modernen Liebesgedichten zwar einfach gehalten, aber auch geprägt von Mehrdeutigkeiten. Auch in der Form der Werke gab es einen Wandel, denn oft richten sich die Zeilenumbrüche nicht nach der Grammatik eines Satzes, sondern nach dem Sinn des Gedichtes.