Glück erleben

Ohne Titel

 

In der trüben Einsamkeit

Späh ich nach der Spur

Jener kurzen, süßen Zeit,

Da ich Glück erfuhr.

Ja, die Wege weiß ich noch,

Und die Spur ist nah.

Aber Schnee liegt spannenhoch,

Wo mein Glück geschah.

Meine Tränen fallen drauf,

Wärmen rings den Ort.

Und der Schnee taut langsam auf,

Und der Schnee schmilzt fort.

 

Erich Mühsam (1878 - 1934, ermordet im KZ Oranienburg)

 

 

Ohne Titel

 

Glück kommt wie Licht, wie Sonnenstrahlen,

Wie Windeswehn, wie Wolkenflug:

Hier einmal, dort zu hundertmalen

Und nie im Leben noch genug.

Wer kann es haschen, wer kann es finden?

Und wer bewahrt es, wenn er's hat? –

Es schwebt ein Atem in den Winden,

Und schwimmt im Strom ein grünes Blatt.

 

Feodor von Wehl (1821 - 1890)

 

 

Dir auf der Schulter flattert …

An N. P.

 

Dir auf der Schulter

Flattert ein Schmetterling,

Ein Frühlingslüftchen trug ihn her

Aus einem dunkeln Wald.

Das ist der Falter Glück,

Der flog zu dir,

Weil du aus Licht,

Und Glück und Licht Geschwister sind.

 

Georg Heym (1887 - 1912)

 

 

Stumme Liebe

 

Selig, willenlos dahingegeben,

Ruht der schlanke Leib in meinen Armen,

Und die feuchten, vollen Lippen suchen

Leise die meinen.

Aber keine Liebesworte schauern

Aus bedrängtem Busen weich ans Ohr mir;

Nur die dunklen, angstvoll großen Augen

Leuchten vor Liebe.

Schweigend pressen sich die heißen Hände,

Sprechen sich die Geister und die Herzen,

Und geheimnisvoll beschleicht die Seele

Ahnung des Glückes.

 

Felix Dörmann (1870 - 1928)

 

 

Ohne Titel

 

Ein Lämpchen aufgeglommen,

Solch Lämpchen, Glück, bist du:

Aus Nächten hergekommen,

Den Nächten geht es zu.

Es glüht vor deinen Schritten;

Herzklopfend bleibst du steh'n. –

Und ist vorbeigeglitten,

Eh' du es recht geseh'n. –

 

Ludwig Jacobowski (1868 - 1900)

 

 

Das fremde Glück

 

Von diesen kleinen Dingen leben wir,

Nicht von den großen, die so selten kommen:

Oft war's nur irgendein Reflex, der dir

Von einer Vase funkelnd aufgeglommen,

Oft ferne ein Akkord auf dem Klavier,

Vom Abend auf die Fittiche genommen.

Und neulich trat in meinen stillen Raum

Ein fremdes Glück und lächelte von Wangen

Zwei junger Menschen, die im frühen Traum

Der ersten Liebe hoffend noch befangen –

Und grüßte mich wie einen, den man kaum

Erkennt, weil schwere Zeit an ihm vergangen.

Laß sein, mein Herz, das noch von Jugend wirr

Und trunken ist, sich tätig aufzuschwingen –!

Kommt einst der Tag, an dem du müd und irr

Am eigenen Geschicke und Gelingen,

Vielleicht, daß dann das fremde Glück zu dir

Sich segnend neigt und lächelt deinem Ringen –

Denn später, wenn wir müde, leben wir

Nur mehr von solchen fremden lieben Dingen...

 

Anton Wildgans (1881 - 1932)

 

 

Ohne Titel

 

Warum denn währt des Lebens Glück

Nur einen Augenblick?

Die zarteste der Freuden

Stirbt wie ein Schmetterling,

Der hangend an er Blume

Verging, verging.

 

Johann Gottfried von Herder (1744 - 1803)

 

 

Ohne Titel

 

Die Welt wird nie das Glück erlauben,

Als Beute wird es nur gehascht,

Entwenden mußt dus oder rauben,

Eh dich die Mißgunst überrascht.

 

Friedrich von Schiller (1759 - 1805)

 

 

Seliger Ausgang

 

Das höchste Glück hat keine Lieder,

Der tiefste Schmerz hat keinen Laut,

Sie spiegeln beide still sich wieder

Im Tropfen, der vom Auge taut.

So einen sich in stummen Zähren

Das höchste Glück, das tiefste Leid,

Bis sie in Liebe sich verklären,

Anbetend in Gottseligkeit.

 

Julius Sturm (1816 - 1896)

 

 

Ausgleich

 

Was an Schmerzen du erfahren,

Ist vergessen auch zur Stund',

Küßt nach langen, öden Jahren

Wieder dich ein schöner Mund.

Was die Zeit an Ruhm dir raubte,

Hast du doppelt reich und schnell,

Wenn dein Kranz, der früh entlaubte,

Wieder ausschlägt grün und hell.

Darum sel'ge Tränen weine,

Wird dir noch ein spätes Glück:

Denn es bleibt nun auch das deine,

Und kein Gott nimmt's mehr zurück!

 

Ferdinand von Saar (1833 - 1906)

 

 

Bajazzo

 

Seltsam sind des Glückes Launen,

Wie kein Hirn sie noch ersann,

Daß ich meist vor lauter Staunen

Lachen nicht noch weinen kann!

Aber freilich steht auf festen

Füßen selbst der Himmel kaum,

Drum schlägt auch der Mensch am besten

Täglich seinen Purzelbaum.

Wem die Beine noch geschmeidig,

Noch die Arme schmiegsam sind,

Den stimmt Unheil auch so freudig,

Daß er's innig lieb gewinnt!

 

Frank Wedekind (1864 – 1918)

 

 

Ohne Titel

 

Mir ist, als müßt ich singen

So recht aus tiefster Lust,

Von wunderbaren Dingen,

Was niemand sonst bewußt.

O könnt ich alles sagen!

O wär ich recht geschickt!

So muß ich still ertragen,

Was mich so hoch beglückt.

 

Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

 

 

Ohne Titel

 

Ach! zum Erdenglück geboren,

Hoher Ahnen, großer Kraft,

Leider früh dir selbst verloren,

Jugendblüte weggerafft!

Scharfer Blick, die Welt zu schauen,

Mitsinn jedem Herzensdrang,

Liebesglut der besten Frauen

Und ein eigenster Gesang.

 

Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)

 

 

Ohne Titel

 

Das Glück, das glatt und schlüpfrig rollt,

tauscht in Sekunden seine Pfade,

ist heute mir, dir morgen hold

und treibt die Narren rund im Rade.

Laß fliehn, was sich nicht halten läßt,

den leichten Schmetterling laß schweben,

und halte dich nur selber fest;

Du hältst das Schicksal und das Leben.

 

Ernst Moritz Arndt (1769 – 1860)

 

 

Kleines Glück

 

Sie geht in aller Frühe,

noch eh die Dämmrung schwand,

den Weg zur Tagesmühe

im ärmlichen Gewand;

die dunklen Nebel feuchten

noch in der Straße dicht,

sonst sähe man beleuchten

ein Lächeln ihr Gesicht;

die Götter mögen wissen,

warum sie heimlich lacht -

es weiß es nur das Kissen,

was ihr geträumt heut nacht.

 

Hermann Ritter von Lingg (1820 – 1905)

 

 

Ohne Titel

 

Stille – nirgends ein Laut

ich höre ihn…

Deinen Atem auf meiner Haut

Glockengeläut und Kerzenrauch

ich fühle sie…

die Schmetterlinge im Bauch

Jede Berührung intensiv erlebt

da ist sie wieder…

wie es in mir bebt…

ich nenn es…

›Die Gänsehaut des Glücks‹.

 

Unbekannt