Else Lasker-Schüler "An mein Kind"
An mein Kind
Immer wieder wirst du mir
Im scheidenden Jahre sterben, mein Kind,
Im scheidenden Jahre sterben, mein Kind,
Wenn das Laub zerfließt
Und die Zweige schmal werden.
Und die Zweige schmal werden.
Mit den roten Rosen
Hast du den Tod bitter gekostet,
Hast du den Tod bitter gekostet,
Nicht ein einziges welkendes Pochen
Blieb dir erspart.
Blieb dir erspart.
Darum weine ich sehr, ewiglich . . . . .
In der Nacht meines Herzens.
In der Nacht meines Herzens.
Noch seufzen aus mir die Schlummerlieder,
Die dich in den Todesschlaf schluchzten,
Die dich in den Todesschlaf schluchzten,
Und meine Augen wenden sich nicht mehr
Der Welt zu;
Der Welt zu;
Das Grün des Laubes tut ihnen weh.
- Aber der Ewige wohnt in mir.
- Aber der Ewige wohnt in mir.
Die Liebe zu dir ist das Bildnis,
Das man sich von Gott machen darf.
Das man sich von Gott machen darf.
Ich sah auch die Engel im Weinen,
Im Wind und im Schneeregen.
Im Wind und im Schneeregen.
Sie schwebten . . . . . . . .
In einer himmlischen Luft.
In einer himmlischen Luft.
Wenn der Mond in Blüte steht
Gleicht er deinem Leben, mein Kind.
Gleicht er deinem Leben, mein Kind.
Und ich mag nicht hinsehen
Wie der lichtspendende Falter sorglos dahinschwebt.
Wie der lichtspendende Falter sorglos dahinschwebt.
Nie ahnte ich den Tod
- Spüren um dich, mein Kind -
- Spüren um dich, mein Kind -
Und ich liebe des Zimmers Wände,
Die ich bemale mit deinem Knabenantlitz.
Die ich bemale mit deinem Knabenantlitz.
Die Sterne, die in diesem Monat
So viele sprühend ins Leben fallen,
So viele sprühend ins Leben fallen,
Tropfen schwer auf mein Herz.
Else Lasker-Schüler
(1869-1945)