Englische Liebeslyrik

Wer an englische Literatur denkt, hat höchstwahrscheinlich erst einmal einen bestimmten Namen im Sinn: William Shakespeare (1564-1616). Seine Werke gehören bis heute zu den bedeutendsten und am meisten aufgeführten – nicht zu vergessen verfilmten – Werken der Literaturgeschichte. Der Gedichtband "Shakespeare’s Sonnets" beinhaltet 154 Sonette, von denen sich die meisten mit dem Thema Liebe beschäftigen. Die Mehrzahl der Liebesgedichte richtet sich aber nicht an eine Frau, wie es sonst immer üblich war, sondern an einen Jüngling. Einige handeln aber auch von der Liebe zu einer Frau, Liebeskummer und der erotischen Liebe.

Die Liebe ist auch ein großes Thema einer Strömung, die metaphysische Dichtung genannt wird und die im 17. Jahrhundert zur Zeit des Barocks entstand. Neben Liebe war auch Religion Inhalt der Werke. Dabei fand ein Dialog zwischen dem lyrischen Ich und einer anderen Figur statt. Beim religiösen Motiv war das meistens Gott oder eine allegorische Figur wie der Tod. Bei der Liebe war es die untreue Geliebte, aber manchmal führte das lyrische Ich auch einfach Selbstgespräche.

Gedichtbeispiel "Sonett 55" von William Shakespeare:

 Sonett 55

Kein Marmorbild, kein fürstlich Monument
Soll diese mächtigen Reime überleben,
Die größern Ruhm und höhern Glanz Dir geben
Als was geformt aus irdischem Element. -
Wenn Kriegsgetös Denkmale niederrennt,
Im Aufruhrsturm die stärksten Mauern beben
Und Einsturz dräun – sollst Du im Liede leben,
Das Stahl nicht tödtet, Feuer nicht verbrennt. -
Durch Tod und feindliche Vergessenheit
Gehst Du hindurch, - bis in die spätste Zeit
Gerühmt von den Geschlechtern, die in's Nichts
Hinsinken, bis zum Tage des Gerichts, -
Bis Gott dann selbst Dich weckt zum Leben wieder,
Lebst Du durch meine Lieb' und meine Lieder.
William Shakespeare (1564-1616)
übersetzt von Friedrich Bodenstedt (1819-1892), deutscher Schriftsteller