Autorenvorstellung; Andrea Scheitler

Andrea Scheitler: Seitengassen von Neapel – Eine Auswahl lyrischer Texte

Andrea Scheitler (geb. 1989) arbeitet als Lehrerin an einer Berufsschule und bildet dort Medizinische Fachangestellte aus. Die Arbeit bereitet ihr große Freude, mit Gedichten kommt die Gedichtband-Autorin hier jedoch kaum in Berührung. Dafür hatte sie im Studium ihres Zweitfaches Englisch einige Seminare, die sich mit der Interpretation und dem Aufbau von englischen Gedichten beschäftigt haben. Hier entfachte ihre Begeisterung für die Lyrik erneut, denn der Grundstein für ihre Lyrik-Liebe wurde schon in der Kindheit gelegt. Ihr erstes Gedicht hat Andrea Scheitler im Alter von drei Jahren von ihrer Mutter vorgelesen bekommen. Es war ein Kinderbuch von Goethes Zauberlehrling, das mit Bildern unterlegt war und große Begeisterung auslöste. Scheitlers Mutter konnte die Ballade irgendwann auswendig und sie selbst entdeckte, dass man Geschichten nicht nur in Prosa schreiben kann. Seither habe Scheitler Gedichte immer sehr gemocht. 

In ihrer Freizeit ist Andrea Scheitler, so oft es geht, in der ganzen Welt unterwegs – am liebsten mit dem Rucksack. 

Was bedeutet Lyrik für Sie?
Lyrik ist für mich die Möglichkeit, ein Bild von meinen Gedanken zu machen, wie sie in eben diesem Augenblick sind. Wer auch immer danach das Gedicht liest, baut daraus etwas ganz Neues, verändert den Rhythmus und die Stimmung darin, bringt andere Gedanken mit hinein und macht es zu seinem eigenen Gedicht, ohne auch nur ein einziges Wort zu verändern. Das fasziniert mich.

»Seitengassen von Neapel«

Nachdem Andrea Scheitler im Jahr 2014 mit »Die Raben« den zweiten Platz bei unserem jährlich stattfindenden Lyrikwettbewerb belegte, hat die Lehrerin und Autorin nach drei Jahren des Schreibens und sorgfältigen Auswählens die besten ihrer Gedichte zusammengestellt. 

Vorwort zum Gedichtband:
»Einer meiner Freunde kann einfach nicht still sitzen. Mir fiel das einmal auf, als wir in einem Café auf unsere Getränke warteten und er mit seinen Fingern eine Melodie auf seinen Oberschenkel trommelte. Als ich ihn darauf ansprach, erklärte er mir, dass sein Kopf ständig voller Töne sei und er immer nach neuen Rhythmen für seine Lieder suchte. Er ist Gitarrist in einer Band, die die meisten ihrer Stücke selbst schreibt. Obwohl ich kein Instrument spiele  und auch sonst eher unmusikalisch bin, kam mir diese Erklärung bekannt vor. Bei mir ist das ähnlich. In meinem Kopf sind zwar keine Melodien, dafür aber Worte und kurze Geschichten, die so lange hin- und hergeschoben und verbessert werden, bis sie ihren Weg aufs Papier finden. Ich denke es gibt Menschen, in deren Köpfen Musik ist, manche, die kleine Kunstwerke aus Worten basteln und andere, die mit Zahlen jonglieren oder vor ihrem geistigen Auge Bilder malen.«

Ein Auszug aus Scheitlers Gedichtband:

Gefühlsgewalt
Seine Worte waren zu ungelenk, zu morsch und zu rau,
um die gewaltigen Gefühle zu tragen,
also nahm er sie in die Hand und stieß sie an,
damit sie aufsteigen und erzittern konnten.
Bis unter die herbstgelben Blätter trieb sie der Wind,
wo sie das Licht brachen und auf die Wege zurückwarfen.
Er steckte sie zwischen das Gefieder der Vögel,
die ihre Lieder im Herbstlaub sangen.
Er schlang sie um das Geweih eines Rothirsches,
den König des Waldes
und sprenkelte das trübe Seewasser damit,
sodass kleine Silberlichter
auf der Wasseroberfläche tanzten.
Seine Worte waren ungelenk,
sie hätten das Licht in den Bäumen
niemals einfangen können,
also schwieg er.
Stattdessen nahm er ihre Hand
und führte sie
auf den Wegen unter dem goldenen Blätterdach,
das erfüllt war von Vogelstimmen
und als sie den Wald mit seinen Augen sah,
las sie die Worte im schimmernden Herbstlaub
und zwischen den bunten Federn der Vögel.
Sie fischte nach den Lichtern im See
und sagte nichts.
 
Scheitlers preisgekröntes Gedicht »Die Raben« finden Sie hier.

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